Willkommen auf meinem Blog über mein Freiwilligenjahr in Minsk, Belarus!

Sonntag, 2. Januar 2011

Nachtrag vom 23.12.


Heimwärts, heimwärts...

Gerade sitze ich in Vilnius am Flughafen in der Wartehalle und da ich noch warten muss, bis mein Flug geht, habe ich jetzt wieder Zeit ein wenig für meinen Blog zu schreiben. Morgen ist Weihnachten, ich bin auf dem Weg nach Hause. Die letzten Tage waren ziemlich nervenaufreibend. Einmal wegen der gesamten angespannten Situation, wegen den Wahlen, dann aber auch für mich besonders, weil mein Visum und meine Aufenthaltsgenehmigung nicht fertig war.
Die Berichte und Bilder über die Demonstrationen und das Vorgehen der Regierung gegenüber den Demonstranten dürften wohl die meisten kennen. Auch die Pressekonferenz von Lukaschenko und die Strafen für die Verhafteten war noch ein Thema in den deutschen Medien, aber jetzt scheint Europa und der Rest der Welt Belarus wieder vergessen zu haben, wie sieht es also in Belarus selbst aus?
Nach außen hin scheint alles so weiter zu gehen, als wäre Sonntag nicht gewählt worden und als hätte es die Demonstrationen nicht gegeben. Doch wenn man mit den Menschen spricht, sind viele enttäuscht, weil sich ihre Hoffnungen auf einen Wandel wieder nicht erfüllt haben. Auch sind viele Menschen entsetzt über das brutale Vorgehen der Regierung. Viele Menschen sind sehr traurig und scheinen auch ihre Hoffnung verloren zu haben.
Allerdings sind das doch eher wenige, viele haben überhaupt nicht gehofft, dass sich etwas ändern wird und ganz viele andere, wissen nur das, was das staatliche Fernsehn über die Demonstrationen und die Opposition verbreitet: Das ein Haufen betrunkener Randalierer Sonntag die Chance nutzen wollte Chaos zu stiften. Dazu wurden dann meist Fotos eines Autos gezeigt, indem sich angeblich Sprengstoff, Eisenstangen, Benzin und ähnliches befand und das man auf dem Weg zum Unabhängigkeitsplatz angehalten habe. Es wird über die Miliz berichtet, die heldenhaft eingeschritten hätte und sogar ja auch noch milde mit den Demonstranten umgegangen wäre. Oft wurde auch ein Interview mit dem Vorsitzenden der OSZE gezeigt, der Sonntagabend noch vorschnell meinte, es gäbe keine Anzeichen für Wahlbetrug, wobei das offizielle Gutachten der OSZE dann schon gar nicht mehr erwähnt wurde. Auch jegliche Kritik aus Europa wurde vom Fernsehn und auch von Lukaschenko schlichtweg ignoriert, nur die Glückwünsche anderer Staaten wie China, das betont, die Wahlen beobachtet und als frei und demokratisch eingestuft zu haben, werden gezeigt. So könnte man jetzt noch viele Beispiele für die Manipulation der Menschen durch das Fernsehn aufzeigen. Allerdings ist mir auch aufgefallen, dass die europäischen auch hauptsächlich die Bilder gezeigt haben, auf denen die Eskalationen der Demonstrantionen zeigen und fast nichts von den ruhigen Demonstrationen vorher.

Für mich am erschreckendsten war die Gewalt mit der die Miliz vorgegangen ist. Auch hatte ich das Gefühl, dass das Minsk von Sonntagabend nicht die Stadt ist, in der ich seit drei Monaten lebe.
Was mich aber auch in den letzten Tagen am meisten erschreckt hat,  war festzustellen, inwieweit der Staat über uns Freiwillige Bescheid weiß. Der Besuch der Miliz am Samstag war ein Indiz dafür, auch die Tatsache, dass die Fragen keine wirklichen Fragen waren, sondern der Beamte die Antworten schon wusste. Verstört hat mich aber dann vor allem, als ich gestern auf das Amt kam um mein Visum abzuholen und ich noch kein Wort gesagt hatte und der Beamte nur zu mir meinte: „Ah, Johanna, Uliza Knorina, Haus 10a, Wohnung 15. Sie kommen ihr Visum abholen.“ Ich hab mir danach ein paar Stunden den Kopf zerbrochen, woher er mich denn so genau kannte, wenn er doch in unserem Viertel für ein paar Tausend Leute zuständig ist. Als er dann aber auch noch nach Samstag gefragt hat, als die Miliz bei uns war, habe ich mittlerweile die Vermutung, dass er der Beamte war, der Samstag bei uns war, allerdings war ich Samstag zu aufgeregt um mir sein Gesicht zu merken und weiß es deshalb nicht sicher. Auf jeden Fall war es seltsam... Mein Visum war dann übrigens noch nicht fertig und ich musste nachmittags wieder hin und dann war es dann endlich fertig und ich konnte heute Morgen ohne Probleme ausreisen.

Jetzt freue ich mich erstmal auf Weihnachten zuhause und darauf meine Familie und Freunde wieder zusehn. Momentan finde ich es aber schwierig mir vorzustellen, in ein paar Stunden (genauergesagt 1 ½, wegen der Zeitverschiebung eigentlich 2 ½) in Deutschland zu sein. Deutschland war in den letzten drei Monaten in meinen Gedanken so weit weg, dass ich mir nur schwer ausmalen kann, wie es dort sein wird. Bei dem Gedanken zwei Wochen weg zu sein und nicht zu arbeiten, bin ich aber auch etwas traurig, weil ich weiß, dass ich meine Babuschki und auch die Kinder in Novinki zwei Wochen nicht sehen werde.
Jetzt hoffe ich erstmal, dass mein Flug nicht noch weitere Verspätung hat, gerade sind es 15 Minuten, wegen eines anderen Fluges aus Dublin, der zu spät kommt und das die Deutsche Bahn auch alle ihre Probleme mit dem Schnee erledigt hat (Übrigens hatte die belarussische auf der Fahrt von Minsk nach Vilnius keinerlei Probleme obwohl hier richtig viel Schnee liegt und es kalt ist... ;)).

Das wars jetzt soweit erstmal von mir, da ich hier kein Internet habe, werde ich diesen Eintrag allerdings erst heute Abend zuhause veröffentlichen können.

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