Willkommen auf meinem Blog über mein Freiwilligenjahr in Minsk, Belarus!

Sonntag, 27. Februar 2011

Exkursion mit dem Hesed

Das nächste Highlight diese Woche folgte dann am Donnerstag, ich wurde vom Hesed eingeladen an einer Exkursion in und um Minsk teilzunehmen unter dem Motto, wir wohnen zwar in Minsk, aber kennen wir unsere Stadt wirklich? Da die Teilnehmer der Exkursion größtenteils doch schon etwas älter waren, fuhren wir zuerst drei Stunden mit dem Bus durch Minsk und unsere Stadtführerin erzählte ganz viel über Minsk. Am Platz der Freiheit in Nemiga sind wir dann doch auch ausgestiegen, weil sie uns dort in den wenigen übrig gebliebenen Gässchen gerne zeigen wollte, wie Minsk vor dem Krieg aussah. Das war für mich auch ein ganz neuer Eindruck, da ich Minsk ja vor allem als im typisch sowjetischen Stil kenne. Bei vielen der Omis und Opis weckte das vor allem Erinnerungen an das Minsk ihrer Jugend und eine Frau, die vor dem Krieg genau dort gewohnt hatte, wo wir vorbeiliefen beschrieb mir dann ganz genau, wie alles früher aussah.






Der Rest der Stadtführung fand dann wieder vom Bus aus statt und als Abschluss fuhren wir dann noch in eine Stadt ein wenig außerhalb von Minsk. Dort in Ratamka werden die Pferde der belarussischen Reiternationalmannschaft trainiert und wir durften in der Reithalle bei einem Turnier zuschauen.

 
Allein der Geruch nach Pferden, Stall und Reithalle hat mich sehr an die letzten Jahre erinnert (Hilfe, klingt das melancholisch xD).

Als dann eine der Trainerinnen uns noch etwas über die Anlage in Ratamka und die Pferde erzählte, lauschten alle ganz gespannt:





Freitag war ich auch noch, da ja in Novinki immernoch Quarantäne ist, mit Marina, die ich in der Geschichtswerkstatt kennen gelernt habe, in der staatlichen Psychiatrie. Sie arbeitet dort, weil sie ihre zwei Pflichtjahre nach dem Studium ableisten muss und macht dort Kunsttherapie, Musiktherapie und sowas. Außerdem koordiniert sie dort Freiwillige. Ich war mit ihr dann auf einer Station für Demenzkranke, wo wir zuerst musiziert haben und später dann noch mit zwei älteren Männern geredet haben, während wir geknetet haben. Der eine erzählte uns dann er habe früher mal Harmonium (schon wieder ein Harmonium, damit hab ichs die Woche irgendwie...) gespielt und als wir ihn fragten, was denn sein Lieblingslied gewesen sei, fing er an mit einer ganz dünnen Stimme Katjuscha zu singen. Das war ein sehr bewegender Moment. Ansonsten ist mein Eindruck von der Psychiatrie vor allem bedrückend. An Trostlosigkeit kann sie es, vor allem auf den Stationen, sehr gut mit dem Kinderheim und dem Erwachsenenheim in Novinki aufnehmen und der merkwürdigste Eindruck für mich war die Wand in dem sogenannten Diskozimmer, wo an der Wand ganz viele mit dem Computer geschrieben Zettel hingen, alle in der gleichen Schrift und Schriftgröße und auch alle exakt nebeneinander angeordnet, auf denen solche Dinge, wie Wut, Trauer, Schmerz, aber auch Freude, Glück und Zufriedenheit standen, zu denen Marina mir dann erklärte, dass die Patienten diese "selbst" gemacht haben. Trotzdem habe ich auch gesehn, dass die Werkstätten und auch vieles was Marina mir zeigte, was sie dort gebastelt haben, wirklich liebevoll gemacht war und auch schön, was den äußeren negativen Eindruck doch wieder relativiert hat.

Das war jetzt erstmal wieder genug von mir, während in Deutschland nächste Woche Fasching sein wird (worüber ich jetzt gleich noch für den Deutschclub einen Text schreiben muss), wird hier Masleniza gefeiert, dadrüber gibt es dann nächstes Mal bestimmt auch noch etwas zu erzählen.

Außerdem jetzt mal noch was anderes, was an Deutschland scheinbar komplett vorbeigegangen zu sein scheint: http://www.queer.de/detail.php?article_id=13739. Ich finde, dazu gibt es nicht viel zu sagen, außer dass es mal wieder beweist wie armselig der Präsident doch ist...

Всего хорошего, Йоханна

Der Tag der Roten Armee

Am 23. Februar war der Tag der Roten Armee, der hier mittlerweile eher als Männertag gefeiert wird, da ja auch eigentlich alle Männer in ihrem Leben zumindest einen Wehrdienst geleistet haben. In Belarus ist der Tag nicht frei, so wie in Russland.
Im Vorfeld habe ich mich schon an den Glückwunschkarten erfreut, auf denen neben Blumen auch gerne noch ein Panzer abgebildet ist.
Am 23. Februar selbst gab es in den Räumen der Geschichtswerkstatt eine Feier mit Tee, Wein, Butterbroten, Keksen und vielem anderem von den Omis selbstgemachtem.





Wie man sieht, ist der Männeranteil doch eher gering, das machten die Frauen aber dadurch wett, dass sie viel erzählten, etwa darüber, wie sie ihre Männer kennen gelernt haben, damit wir jungen uns das anhören und uns dann auch ja nur gute Männer suchen. Zwischendurch wurde auch immer wieder gesungen, begleitet von Ewgenij auf dem Harmonium und danach wieder erzählt. Ein sehr bewegender Moment, indem mir ganz stark bewusst wurde, dass der Tag nicht nur ein Feiertag, sondern auch sehr mit Erinnerungen verbunden ist, war, als ein Mann von seiner Zeit im Konzentrationslager erzählte.


Nach dem Essen wurde dann wieder gesungen und auch getanzt: 




Mit der Zeit lehrte sich die Runde dann immer mehr und mit zwei Stunden Verspätung traf dann noch Stepan Petrowich ein, den ich aus dem Deutschclub ja mittlerweile schon ganz gut kenne, er hatte zur Feier des Tages extra seine Uniform angezogen und hatte auch schon mit "Pionieren" gefeiert, wodurch seine Laune schon gut war und er dann erstmal allen nochmal Irina und mich vorgestellt hat (nicht das sie uns nicht schon vorher kannten ;)) und nochmal ausdrücklich betonen musste, wie toll das Deutschlernen bei uns doch wäre und das die andren ja gar nicht wüssten, was sie verpassten. 




Für mich war der Tag eine tolle Erfahrung, da ich aus Deutschland Feiertage für die Armee oder generell Feiertage für Männer (obwohl Stepan Petrowich, als wir auf die Männer anstoßen wollten, betonte, die eigentlichen Helden seien eh nicht die Männer, sondern die Frauen) ja nicht kenne. Außerdem finde ich es schön mit dem Omis und Opis zu feiern und merke mittlerweile wie gut ich mich schon einbringen kann, weil ich sie ja immer mehr verstehe.

Заславль

Vor gut einem Monat lud Daniel, ein ehemaliger Minsk Freiwilliger, der gerade auf Besuch in Minsk war uns zu einem Konzert seines Freundes Aleksej ein. Auf diesem Konzert lernten wir dann nicht nur Aleksej kennen, sondern auch Lena, die hier in der Kulturszene sehr engagiert ist und auch mit Aleksej auf jedes Konzert fährt. Lena und Aleksej luden uns dann am letzten Wochenende auf ein Konzert der Band Реха (dt. Recha) ein, auf dem auch Aleksej singen sollte. Samstagmorgen fuhren dann also Mareike, Kata und ich zusammen mit Aleksej, Lena und einigen anderen Richtung Saslaw, genauergesagt fuhren wir nach Belarus ;), denn die Station an der wir aus der Elektritschka ausstiegen hieß Belarus, weil dort nach dem ersten Weltkrieg einmal die Grenze zwischen Polen und der Sowjetunion verlief und diese Station die erste in Belarus war. Nach deutschem Ermessen ist Saslaw wohl eher ein Dörfchen, in der belarussischen Geschichte hatte die Stadt dadurch einen wichtigen Platz bekommen, weil ein gewalttätiger Herrscher seine Frau und seinen Sohn aus Polotsk dorthin verbannt hatte und ihr dort eine Burg mit Kirche hat bauen lassen. Nach diesen Sohn (Isaslaw) hat die Stadt auch ihren Namen.

Die Kirche, der einzige Überrest der Festung
Heute gibt es dort noch ein Museum zur belarussichen Kultur, in dem auch das Konzert und eine Ausstellung mit Bildern des Sängers von Recha stattfand. Leider war das Konzert in einem sehr kleinen Raum mit viel zu vielen Menschen, sodass unsere Eindrücke vom Konzert sich hauptsächlich auf das Hören (das aber sehr positiv) und das Sehen von vielen Rücken beschränken. 

Ansonsten war es auch mal wieder schön, mal wieder außerhalb der Stadt zu sein und alleine die Fahrt mit der vollgestopften Elektritschka war schon ein Erlebnis: Mit einem Harmoniumspieler,einem anderen Mann DVDs über Ikonen der orthodoxen Kirche verkauft hat und wir als Deutsche schon gleich wieder auf Verwandte die in Deutschland leben angesprochen wurden (was von Aleksej nur ganz trocken mit "Jeder in Belarus hat irgendwelche Verwandte in Deutschland" kommentiert wurde).

Gut gefiel mir auch folgendes:
"Die besten Leute der Stadt"
Diese Tafel stand vor dem Rathaus und was man jetzt auf dem Foto leider nicht sieht, ist dass direkt daneben noch eine Leninstatue steht.
Heute habe ich endlich mal wieder die Zeit und auch die Muße mal wieder zu schreiben. In der letzten Woche gab es gleich mehrere Highlights, daher werde ich jetzt mehrer Posts mit Fotos veröffentlichen. Zur Allgemeinen Situation nur soviel, die Quarantäne ist noch bis zum 1.März verlängert worden und ich hoffe darauf, dass es dann endlich gut sein wird und ich wieder nach Novinki kann...

Montag, 14. Februar 2011

Winter, so unsagbar Winter...

Nachdem es letzte Woche taute und man schonmal eine Ahnung vom Frühling bekam, ist der Winter jetzt mit aller Kraft zurückgekehrt. Der Wetterbericht spricht von -14° bis -20°. Das Thermometer heute am Kamarowski war da etwas optimistischer:


Was die gefühlte Temperatur angeht, liegt die aber um einiges tiefer. Nachdem ich heute nur zehn Minuten fotografiert habe, brauchte mein Zeigefinger bestimmt eine halbe Stunde um mal wieder annähernd aufzutauen und ist auch jetzt immer noch ein wenig taub.

Die nächsten Fotos sind gestern nachmittag auf dem Weg in bzw. im Park Tscheljuskinzew enstanden, wobei mir das dritte mit dem Riesenrad am besten gefällt:




Im Moment möchte ich ja meinen Vorsatz mit dem endlich richtig viel hier fotografieren hier umsetzen, da ich ja in der ersten Zeit hier so wenig fotografiert habe. Gerade lässt sich das in dem Wintertraum hier auch ganz gut umsetzen.

Ansonsten bin ich momentan allerdings etwas frustriert, nachdem ich ja dann vorletzte Woche entschieden und auch schon mit unserer Koordinatorin und den Leuten in Novinki abgesprochen habe, dass ich auch gerne noch den Mittwoch dort arbeiten möchte, bekam ich diesen Mittwoch dann erstmal gesagt, dass jetzt Quarantäne wäre und ich erst danach wieder kommen sollte, obwohl es von der selben Person (der stellv. Direktorin) eine Woche vorher hieß, dass ich ja jetzt schon länger dort gearbeitet hätte und die Quarantäne mich dann nicht betreffen würde. Allerdings sind hier alle im Moment ein wenig panisch wegen dieser Grippewelle, selbst in der Metro wurde davor gewahnt, sich in großen Menschenmengen aufzuhalten und dafür geworben, sich immer die Hände gründlich zu waschen. Ich kann also zwar, den Gedanken hinter der Quarantäne verstehen, empfinde es aber gerade als ziemlich frustrierend, nicht zu den Kindern zu können, da ich mittlerweile soweit Russisch kann, dass es in Novinki im Moment eigentlich gut klappt. Außerdem gibt es dort jetzt einen neuen Direktor, den ich letztens auch schon kennengelernt habe und der auch wirklich freundlich zu sein scheint und vorher schon eine Behindertenwerkstatt geleitet hat. Eine erste Neuerung gibt es auf unserer Station schon: Dort arbeitet manchmal eine Pädagogin, an den anderen Tagen auch zwei, wobei die zweite in einem winzig kleinen Zimmerchen ganz hinten auf der Station arbeitet, in das sie sich dann mit 6 oder 7 Kindern, von denen meist auch noch ein oder zwei im Rollstuhl sitzen quetscht. Sie hatte vorher wohl schon einmal versucht anzuregen, dass sie den Unterricht so gestalten kann, dass sie immer nur ein oder zwei Kinder in das Zimmer mitnimmt und dann eine halbe Stunde Unterricht macht und danach die nächsten Kinder dran sind. Der alte Direktor hat diesen Vorschlag allerdings abgelehnt, dem neuen Direktor hat sie ihn jetzt wieder vorgebracht und er hat abgesegnet. Danach führte das dann allerdings zu ziemlichen Diskussionen, denn die restlichen Kinder wollen ja auch gerne beschäftigt werden, wobei der neue Direktor dann nur meinte, warum die Sanitarki sie denn nicht beschäftigen, worauf sie sich dann wieder beschwert haben, dass sie ja nicht noch auf die Kinder aufpassen könnten und so weiter... Die letzten zwei Wochen wurde der neue  Plan jetzt schon umgesetzt, allerdings war es dann erstmal ziemlich chaotisch: Die Kinder fanden es zwar gut, dass sie jetzt die Aufmerksamkeit der Pädagogin für sich haben, verstehen aber nicht, warum sie nur noch eine halbe Stunde in die Klasse dürfen und den Rest der Zeit in ihrem Zimmer oder auf dem Flur sein sollen, weil sie dort dann eben doch keine Beschäftigung hatten, sodass die Kinder dann meistens vor der Klasse im mittleren Teil der Station saßen und nach Sveta, der anderen Pädagogin riefen, weil sie in die Klasse wollten. Ich habe dann gezielt versucht, mich mit den Kindern zu beschäftigen, zum Teil war es jedoch so, dass sie sich überhaupt nicht davon abbringen lassen wollten, dass sie gerne in die Klasse wollen und dann im Flur saßen und weinten und schrieen, worauf die Sanitarki sie dann zur Strafe ins Bett geschickt haben. Es ist eben schwierig zu verstehen, dass es für sie wahrscheinlich besser ist, eine halbe Stunde Unterricht mit einer Pädagogin zu haben, die sich ganz auf sie konzentriert, wenn sie dann den Rest vom Vormittag eben doch wieder nur im Flur oder im Zimmer abgeschoben werden. Die letzten Wochen war ich dann regelmäßig mit einem Mädchen von meiner Station auf der Mädchenstation, wo sie dann Keramik machen oder mit Perlen basteln darf, was ihr richtig gut gefällt. Einen Nachteil gibt es bei der ganzen Aktion allerdings, Lena kann nicht laufen, sie robbt nur über den Boden und die Mädchenstation ist im ersten Stock, also fahren wir jetzt mit dem Rollstuhl bis an die Treppe und danach nehme ich Lena auf den Arm und trage sie die Treppen rauf, glücklicherweise ist sie für ihre 12 Jahre noch erstaunlich leicht.
Daher bin ich im Moment wie gesagt, eher frustriert, weil ich nicht zu den Kindern kann und hoffe jetzt drauf, dass die Quarantäne wirklich nur zwei Wochen dauert und ich nicht nächste Woche erfahre, dass sie verlängert wurde...

Die letzte Woche kam die Tatsache, dass ich nicht in Novinki arbeite aber dann  meinen Babuschki zugute, Mittwoch war ich über vier Stunden bei Esther und Donnerstag dann auch nochmal so lange bei Anna und diese Woche werde ich Irina auch mal wieder zweimal besuchen. Mit ihnen allen verstehe ich mich gut, weil ich mich mittlerweile auf Russisch ganz annehmbar ausdrücken und mich dann mit ihnen auch gut unterhalten kann, was Esther letztens auch ganz lustig festgestellt hat: "Jetzt kann man sich endlich mal richtig mit dir unterhalten!". Allerdings ist sie doch meistens diejenige die redet, was ich aber super finde, ich fühle mich in der Rolle der Zuhörerin sehr wohl und bin immer ganz fasziniert von den vielen Geschichten die sie zu erzählen hat.

Jetzt wars das erstmal von mir, ich versuche mich nicht allzusehr runter ziehen zu lassen und suche mir andere Beschäftigungen, heute abend wird das ein Konzert von Addis Abeba im Graffiti, ganz bei uns um die Ecke sein, wir haben sie dort vor 3 Wochen schon live gesehn und werden die Gelegenheit heute auch ausnutzen.
Ansonsten noch etwas, was mir gerade eingefallen ist: Manche haben Eisblumen an den Fenstern, bei mir ist mein ganzes Fenster eine einzige Eisblume ;)

Пока, Йоханна